6

 

Rio legte der Frau die Hand auf den offenen Mund, gerade als der erste hohe Schreckenslaut durch den Raum schnitt. Er bewegte sich mit einer unglaublichen Geschwindigkeit, zu schnell für ihre menschliche Wahrnehmung. Diese Fähigkeit der Stammesvampire hatte er auch benutzt, um ihr auf ihrer Fahrt vom Bahnhof hierher bis ins Hotelzimmer zu folgen. Sie hatte ihn wahrscheinlich gespürt, als er an ihr vorbei ins Zimmer geschlüpft war - nur als einen plötzlichen kühlen Luftzug -, aber er konnte förmlich sehen, wie ihr Verstand verzweifelt versuchte, das zu verstehen, was ihre Augen sahen.

Sie verdrehte den Kopf, versuchte, sich seinem erbarmungslosen Griff zu entwinden. Wieder formte sich ein Schrei in ihrer Kehle und schlug heiß gegen seine Handfläche, doch es nützte ihr nichts. Der harte Klammergriff von Rios Fingern dämpfte ihre Schreie bis auf ein leises Wimmern.

„Still.“ Er hielt sie und nagelte sie mit einem Blick fest, der unbedingten Gehorsam forderte. „Keinen Ton, verstehen Sie mich? Ich werde Ihnen nichts tun.“

Obwohl er es ehrlich meinte - zumindest im Moment -, konnte er sehen, dass sie alles andere als überzeugt war. Sie zitterte heftig, ihr ganzer Körper war angespannt und verströmte Angst in vibrierenden Wellen. Ihre goldgesprenkelten grünen Augen über seiner Handkante waren riesig und wild, ihre zarten Nasenlöcher weiteten sich mit jedem kurzen panischen Atemzug.

„Tun Sie, was ich sage, und ich werde Ihnen nichts tun“, sagte er und sah ihr in die vor Angst geweiteten Augen. Sehr langsam begann er, den Druck auf ihren Mund zu lösen. Die feuchte Hitze ihrer Lippen und ihre keuchenden Atemzüge versengten seine Handfläche, als sie sich an das winzige Stückchen Freiheit gewöhnte, das er ihr gab. „Jetzt werde ich meine Hand ganz wegnehmen. Und ich will, dass Sie ruhig bleiben. In Ordnung?“

Sie blinzelte langsam. Antwortete mit einem schwachen, zittrigen Nicken.

„In Ordnung.“ Rio begann, seine Hand zu heben. „In Ordnung, gut so.“

Die junge Frau schrie nicht.

Sie biss ihn.

Kaum hatte Rio seinen Griff etwas gelockert, spürte er auch schon die plötzliche, stumpfe Kraft ihrer Zähne, die sich in der schmutzigen, fleischigen Haut zwischen seinem Daumen und Zeigefinger verbissen.

Er stieß einen üblen Fluch aus. Nicht, weil ihr Biss so wehtat, sondern weil er verärgert war über sich selbst, dass er den Angriff nicht hatte kommen sehen.

Mit der gleichen Schnelligkeit, mit der sie ihn gebissen hatte, zog sie sich jetzt zurück und schaffte es, sich aus seinem Griff zu befreien.

Sie versuchte einen Sprung auf die verschlossene Tür zu, kam aber nicht einmal einen Schritt weit. Rio packte sie von hinten, seine Arme schlossen sich um sie wie Eisenklammern.

„Oh Gott, nein!“, schrie sie und fiel, zu schnell für ihn, als dass er ihren Sturz hätte bremsen können.

Mit dem Gesicht voran prallte sie hart auf dem Boden auf. Rio hörte, wie die plötzliche Wucht des Aufpralls ihr die Luft aus den Lungen presste, und wusste, dass ihr das höllisch wehtun musste. Aber das schien nichts von ihrer Entschlossenheit zu nehmen. Verdammt, sie war hartnäckig.

Sie nahm all ihre Kräfte zusammen und kroch panisch auf allen vieren davon, versuchte, sich über den Teppich in Sicherheit zu bringen. Aber sie hatte keine Chance. Nicht gegen einen von seiner Art.

Rio kroch ihr nach und begrub sie unter dem ganzen Gewicht seines Körpers. Sie keuchte, als er sie auf den Rücken drehte und sich rittlings auf sie setzte. Sie wand sich, widersetzte sich ihm, so gut sie konnte, aber jetzt saß sie in der Falle. Rio hatte sie unter sich festgenagelt und drückte ihr mit der Kraft seiner muskulösen Schenkel die Arme an den Körper.

Jetzt war sie ihm völlig ausgeliefert, und so entsetzt wie sie ihn ansah, schien sie wohl mit dem Schlimmsten zu rechnen.

Rio konnte sich vorstellen, wie er gerade aussah - Himmel! und wie er riechen musste. Und auf diese Entfernung konnte er nicht hoffen, dass sein Haar die Narben verdeckte. Er sah, wie ihr entsetzter Blick auf die linke Seite seines Gesichts fiel, dort, wo die Flammen und fliegenden Splitter vor einem Jahr ihre Spuren hinterlassen hatten. Die straff gespannten, rötlich silbernen Hautwucherungen mussten unter all dem Dreck besonders schlimm aussehen. Er musste aussehen wie ein halb wahnsinniges Monster ... Genau das war er ja auch.

Und plötzlich war er sich mit unmittelbarer Deutlichkeit des warmen Frauenkörpers bewusst, der da unter ihm gefangen lag. Während er in seinen zerschlissenen Sachen, die schon vor Monaten nicht mehr als Lumpen taugten, nur abstoßend wirken konnte, trug sie ein eng anliegendes T-Shirt mit Flügelärmeln und einem reizvoll tiefen V-Ausschnitt und hellbraune Cargojeans, die ihr knapp unter den Hüften saßen. Sie roch sauber und frisch, unendlich weiblich.

Und sie war wunderschön.

Heilige Muttergottes, sie war wirklich eine Augenweide.

Noch nie hatte er Augen von diesem besonderen Farbton gesehen, einem tiefen Waldgrün, mit blassgoldenen Sprenkeln darin. Dichte dunkelbraune Wimpern umrahmten diese intelligenten, betörenden Augen, die jetzt so unsicher und verschreckt zu ihm aufsahen. Ihre Wangenknochen waren zierlich und hoch und betonten die anmutige Linie ihres Kiefers. Sie besaß die Art von Schönheit, die sie gleichzeitig unschuldig und erfahren wirken ließ, aber die Schatten in ihren unglaublichen Augen waren es, die Rio am meisten faszinierten.

Diese Frau hatte Enttäuschungen und Schmerz erlebt. Vielleicht auch Verrat. Sie war verletzt worden, und nun fügte er ihrer Lebenserfahrung eine ganz neue Art von Schrecken hinzu.

Und was noch schlimmer war, sie erregte ihn.

Nicht nur das Gefühl, sie zwischen seinen Schenkeln gelangen zu haben, sondern der Anblick ihres hübschen Mundes, auf dem nach ihrem Riss noch ein paar Tropfen seines Blutes verschmiert waren.

Alles, was an Rio männlich war, stand plötzlich unter Hochspannung, und seine Stammesinstinkte konzentrierten sich ganz auf den scharlachroten Fleck auf ihren verführerischen Lippen ... und auf das Schlagen ihres flatternden Pulses, dort unten an ihrem Halsansatz.

Er wollte sie.

Nach all den Monaten des Exils in dieser gottverlassenen Höhle, nachdem durch Evas Verrat so vieles in ihm abgestorben war, sah Rio auf diese Frau hinunter und fühlte sich ... lebendig.

Er war völlig ausgehungert, und das konnte auch ihr nicht entgehen, als ihm ein tiefes Knurren entfuhr. Er spürte, wie sich seine Sehkraft zu schärfen begann, indes sich seine Pupillen vor Begierde zu schmalen Schlitzen verengten. Sein Zahnfleisch schmerzte, als sich hinter seinen fest zusammengepressten Lippen seine Fangzähne ausfuhren.

Und sein Schwanz war plötzlich so steif, dass es fast schmerzte.

Und das ließ sich nicht verbergen, selbst als er seine Position auf seiner Gefangenen verlagerte.

„Bitte ... tun Sie das nicht“, sagte sie, und eine Träne rann ihr die Wange hinunter, in ihr seidiges rotes Haar hinein. „Was immer Sie gerade denken ... lassen Sie mich einfach los. Wenn Sie Geld brauchen, nehmen Sie's. Meine Handtasche ist da drüben ...“

„Ich will weder dich noch dein Geld“, stieß Rio hervor und gab sie frei. Er stand auf, wütend über sich selbst und seine physischen Reaktionen, die er nur mit Mühe niederkämpfen konnte. „Los, aufstehen. Ich will nur Ihre Kamera.“

Langsam kam sie auf die Füße. „Meine was?“

„Die Kamera, die Sie in der Höhle dabeihatten, und die Bilder, die Sie gemacht haben. Ich brauche sie alle.“

„Sie wollen ... die Bilder? Ich verstehe nicht ...“

„Müssen Sie auch nicht. Geben Sie sie mir einfach.“ Als sie keine Anstalten machte, ihm zu gehorchen, warf Rio ihr einen durchdringenden Blick zu. „Holen Sie sie. Jetzt.“

„In ... in Ordnung“, stammelte sie und eilte zu einem riesigen Rucksack hinüber, der in der Zimmerecke stand. Sie wühlte darin herum und förderte schließlich ihre schmale Digitalkamera zutage.

Als sie das Gehäuse aufschnappen ließ, um die Speicherkarte herauszuholen, sagte Rio: „Das mache ich schon. Geben Sie her.“

Mit zitternden Fingern hielt sie ihm die Kamera hin. „Sie sind mir den ganzen Weg bis nach Prag gefolgt wegen meiner Kamera? Was ist denn so Wichtiges an diesen Bildern? Und wie haben Sie es geschafft, mich zu finden?“

Rio ignorierte ihre Fragen. Schon in wenigen Minuten wäre es nicht mehr wichtig. Er würde die Bilder haben und diese ganze Angelegenheit aus der Erinnerung dieser Frau tilgen.

„Sind das alle?“, fragte er, knipste die Kamera an und scrollte durch den Inhalt der Speicherkarte. „Haben Sie sie auf ein anderes Gerät heruntergeladen?“

„Das sind alle“, erwiderte sie schnell. „Das ist alles, das schwöre ich Ihnen.“

Er betrachtete die Handvoll Aufnahmen aus der Höhle, die ihn schon halb transformiert zeigten, die Überwinterungskammer des Alten und die Glyphen, die mit Menschenblut an die Höhlenwände gemalt waren. „Haben Sie die irgendjemandem gezeigt?“

Sie schluckte und schüttelte dann den Kopf. „Ich verstehe immer noch nicht, worum es hier geht.“

„Und genauso soll es auch bleiben“, sagte Rio.

Er kam auf sie zu, bis nur drei Schritte zwischen ihnen lagen. Sie wich zurück, stieß aber mit dem Rücken an das Fenster der hinteren Zimmerwand. „Oh mein Gott. Sie sagten doch, Sie würden mir nichts tun ...“

„Bleiben Sie ruhig“, wies er sie an. „Es ist gleich vorbei.“

„Ach du Scheiße.“ Ein ersticktes Stöhnen sammelte sich hörbar in ihrer Kehle. „Oh mein Gott ... Sie werden mich wirklich töten ...“

„Nein“, sagte Rio grimmig. „Aber Sie müssen ruhig bleiben.“

Er griff nach ihr. Er brauchte ihr nur kurz die Hand auf die Stirn zu legen, um ihre Erinnerung an die Höhle und an ihn vollständig zu tilgen.

Aber als seine Hand auf sie niederfuhr, holte sie Luft und schmetterte ihm einen Redeschwall entgegen, der ihn erstarren ließ.

„Ich bin nicht die Einzige, die es weiß!“ Sie keuchte vor Angst, ihre Worte überstürzten sich. „Andere Leute wissen, wo ich bin. Sie wissen, wo ich war und was ich getan habe. Was auch immer diese Bilder für Sie bedeuten, es wird Ihnen nichts nützen, mich zu töten, weil ich nicht die Einzige bin, die sie gesehen hat.“

Sie log ihn an. Angesichts dieser Täuschung spürte Rio Wut in sich aufsteigen. „Sie sagten eben, niemand weiß davon.“

„Und Sie sagten. Sie würden mir nichts tun.“

„Himmel noch mal.“ Er sah wenig Sinn darin, mit ihr herumzustreiten oder sein Vorgehen zu verteidigen. „Sie müssen mir sagen, wem Sie die Bilder gezeigt haben. Ich brauche ihre Namen und ihren Aufenthaltsort.“

Sie schnaubte verächtlich, kühner, als gut für sie war. „Warum?

Damit Sie sie auch überfallen können?“

Rios Verstand schaltete sofort um. Er warf einen Blick auf ihre Habseligkeiten und sah die Schultertasche, die über dem Stuhl hing.

Sie sah so aus, als wäre ein Computer darin. Er stapfte hinüber und zog einen silbernen Laptop heraus.

Er klappte ihn auf und schaltete ihn ein, wodurch sich die junge Frau offenbar ermutigt fühlte, einen erneuten Ausbruch in Richtung Tür zu versuchen. Sie schoss los, aber Rio stoppte sie sofort. Mit dem Rücken gegen die mehrfach verschlossene Tür gelehnt, stand er vor ihr, bevor sie auch nur die Chance hatte, an die Freiheit hinter dieser Tür zu denken.

„Ach du Scheiße“, keuchte sie und blinzelte ihn ungläubig an. „Wie haben Sie ...? Sie waren doch eben noch in der anderen Zimmerecke ...“

„Das war ich. Und jetzt bin ich es nicht mehr.“

Rio trat vor, fort von der Tür, und zwang sie zurückzuweichen. Sie gab nach, je näher er ihr kam, offensichtlich unsicher, wie sie ihn einschätzen sollte.

„Hinsetzen“, befahl er. „Je eher Sie kooperieren, desto schneller werden wir fertig.“

Sie setzte sich auf die Bettkante und sah zu, wie er zu ihrem Computer zurückging und ihre Internetverbindung aktivierte. Ihr Mailprogramm enthielt eine unliebsame Überraschung für ihn. Außer dem üblichen persönlichen Zeug und einer kürzlich erfolgten Umbuchung ihres Rückflugtickets fand Rio in ihrem Ausgangsordner mehrere E-Mails an eine Redaktion - einige mit Fotos im Anhang. Er klickte eine auf und überflog sie schnell.

„Herr im Himmel. Das gibt's doch nicht“, murmelte er und warf einen wütenden Blick über die Schulter. „Sie sind eine verdammte Journalistin?“

Sie antwortete nicht, sondern saß einfach nur da und biss sich auf die Lippen, so als überlegte sie, ob ein Ja sie wohl schneller in eine Leiche verwandeln würde als ein Nein.

Rio stellte den Laptop ab und begann, im Zimmer auf und ab zu gehen.

Wenn die Situation vorher schon übel war, dachte er, dann hatte er es jetzt mit einer Katastrophe von nuklearen Ausmaßen zu tun. Eine Journalistin. Eine Journalistin mit einer Kamera und einem Computer und einer Internetverbindung. Da konnte er ihr Kurzzeitgedächtnis umsonst löschen.

Jetzt brauchte er Hilfe, und zwar sofort.

Rio schnappte sich wieder den Laptop und öffnete den Instant Messenger. Er tippte einen codierten Usernamen ein, der das Techniklabor des Ordens im Bostoner Hauptquartier aufrief. Diese Adresse wurde von Gideon, dem Computergenie der Krieger, rund um die Uhr überwacht. Rio gab eine verschlüsselte Nachricht ein und benutzte dabei einen Code, der ihn identifizierte, seinen genauen Aufenthaltsort angab und mitteilte, dass er dringend mit dem Orden in Kontakt treten musste.

Gideon antwortete praktisch sofort. Was immer Rio brauchte, würde der Orden ihm bereitstellen. Gideon wartete nun darauf, dass Rio ihm die Einzelheiten durchgab.

„Haben Sie ein Handy?“, fragte er die Reporterin, die stumm in seiner Nähe saß. Als sie den Kopf schüttelte, zog Rio den Hotelapparat zu sich heran, las die Telefonnummer des Hotels ab und gab sie in den Instant Messenger ein. „Wie ist die Zimmernummer? Die Zimmernummer, verdammt noch mal!“

„Äh, es ist 310“, erwiderte sie. „Warum? Sagen Sie mir endlich, was hier eigentlich läuft?“

„Schadensbegrenzung“, sagte er, etwa eine Sekunde, bevor das Telefon zu läuten begann.

Er nahm den Hörer ab und wusste, noch bevor er den leichten britischen Akzent am anderen Ende hörte, dass Gideon am Apparat war.

„Ich rufe auf einer gesicherten Leitung an, Rio, du brauchst also kein Blatt vor den Mund zu nehmen. Was ist los? Und noch wichtiger, wo zum Henker hast du die ganze Zeit gesteckt? Es ist jetzt fünf Monate her, dass du abgetaucht bist. Du schreibst nicht mehr, du rufst nicht mehr an ... Liebst du mich denn nicht mehr?“

Gott, wie schön es doch war, eine vertraute Stimme zu hören. Rio hätte fast gelächelt, aber dazu war die Lage hier drüben zu kritisch. „Ich habe hier ein Problem - und es sieht gar nicht gut aus, mein Freund.“

Gideons gute Laune verpuffte schlagartig, und der Krieger war sofort bei der Sache. „Ich höre.“

„Ich bin in Prag. Eine Journalistin ist bei mir, ja, eine Frau, Amerikanerin. Sie hat Fotos vom Berg gemacht, Gideon. Von der Überwinterungskammer und den Glyphen an den Wänden.“

„Himmel. Wie ist sie dort reingekommen, um Fotos zu machen?

Und wann? Diese Höhle ist doch versiegelt, seit ihr Jungs im Februar dort wart.“

Ach, zur Hölle noch mal. Es ließ sich nicht länger drum herumreden.

Er musste einfach mit der Wahrheit herausrücken. „Die Höhle war noch nicht versiegelt. Es hat ein paar Verzögerungen gegeben ... Ich hab das verdammte Ding erst heute gesichert. Da hatte sie die Fotos aber schon gemacht.“

Gideon stieß einen Fluch aus. „In Ordnung. Ich gehe davon aus, dass du ihre Erinnerung gelöscht hast, aber was ist mit den Fotos?

Hast du sie?“

„Ja, ich hab sie, aber es kommt noch schlimmer, Gid. Sie ist nicht die Einzige, die sie gesehen hat. Sie sind schon per Mail an die Zeitung gegangen, für die sie arbeitet, und an einige andere Personen. Wenn ich das hätte begrenzen können, indem ich ihr Gedächtnis lösche, hätte ich das getan. Aber dummerweise ist die Sache jetzt größer als das, mein Freund.“

Gideon schwieg lange, zweifellos ging er gerade in Gedanken die Konsequenzen durch, die Rios Patzer verursacht hatte, war aber zu diplomatisch, um Rio die ganze Liste herunterzubeten. „Als Erstes müssen wir dich da rausbekommen und an einen sicheren Ort bringen.

Die Frau auch. Denkst du, dass du sie festhalten kannst, bis ich arrangiert habe, dass euch jemand holen kommt?“

„Sicher. Was immer du sagst. Ich hab das verbockt, und ich werde alles tun, was ich tun muss, um es wieder in Ordnung zu bringen.“

Rio hörte das verschwommene Klicken einer Tastatur im Hintergrund. „Ich kontaktiere Andreas Reichen in Berlin.“

Ein paar Sekunden lang herrschte Stille, und dann hörte Rio, wie Gideon in Boston ein Gespräch auf einer anderen Telefonleitung begann. Er war schnell wieder bei Rio. „Du wirst abgeholt und zu Reichens Dunklem Hafen nach Berlin gebracht. Aber es dürfte etwa eine Stunde dauern, bis sein Mann bei dir ist.“

„Kein Problem.“

„Bestätigt“, erwiderte Gideon. Er erledigte all das, was notwendig war, um Rios Haut zu retten, so routiniert, als sei es ein Kinderspiel.

„Okay, alles in die Wege geleitet. Ich ruf dich wieder an, wenn dein Fahrer vor der Tür steht.“

„Ich werde bereit sein. Hey, Gideon ... danke.“

„Kein Problem. Schön, dich wiederzuhaben, Rio. Wir brauchen dich, Mann. Ist hier einfach nicht das Gleiche ohne dich.“

„Ich melde mich aus Berlin“, sagte er und dachte, dass es gerade nicht der richtige Zeitpunkt war, um Gideon zu sagen, dass er nicht zurück zur Truppe kommen würde.

Sein Rendezvous mit dem Tod war nur vertagt. Sobald er diese Angelegenheit geklärt hatte, würde er sich für immer abmelden.

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